Die vier Rassen

In Aurhim gibt es vier Rassen von Wesen, die dem Menschen ähnlich sind. Sie nennen sich bei vielen Namen, von denen uns nur einige bekannt sind. Hier sollen sie die Bezeichnungen tragen, die ihnen eine alte Legende der Ishia gibt.

Die Meerkinder

Von hohem Wuchs und schlanker Gestalt sind sie die edelsten Wesen Aurhims - zumindest in ihrer Erscheinung. Die Männer der Meerkinder werden leicht über sechs Fuß groß und die Frauen sind nur wenig kleiner. Ihr Gesicht ist schmal und ebenmäßig. Sie haben keinen Bartwuchs und auch ihre Arme und Beine sind nicht behaart. Ihr Haupthaar dagegen ist von seidigem Glanz, meist schimmert es silbrig oder golden. Seltener findet man dunkles und sogar schwarzes Haar. Schönes Haar ist für sie das wichtigste Zeichen von Schönheit und sie tragen es meist lang und offen. Auf den ersten Blick können die Meerkinder leicht mit einem schlanken, großgewachsenen Menschen verwechselt werden, doch wer einmal ihre Augen gesehen hat, wird diesen Fehler nicht noch einmal machen. Die Augen leuchten in allen Farben des Meeres: blaue und grüne Töne überwiegen, doch findet man seltener auch Grau oder sogar das Schwarz der Mitternachtsee. Doch egal welcher Ton es auch sein mag, immer sind es kräftige, starke Farben. Die Augen der Menschen erscheinen dagegen blass und ausgewaschen. Und noch etwas unterscheidet sie von den Menschen: wenn sie nicht einem Unfall oder Krieg zum Opfer fallen, werden sie leicht über zweitausend Jahre alt.
Vielleicht liegt es an dieser außergewöhnlich großen Lebensspanne, jedenfalls waren die Meerkinder das erste Volk Aurhims, das eine Kultur hervorbrachte. Viele Errungenschaften, wie der Ackerbau, die Schiffahrt, die Metallverarbeitung oder auch die Schrift, gehen auf sie zurück. Die anderen Rassen übernahmen diese Dinge entweder direkt oder sie kopierten sie mehr oder weniger erfolgreich.
Heutzutage leben auf Aurhim zwei Völker der Meerkinder. Die Aleandon - das Meervolk - leben an der Westküste von Diconor, einer Gegend, die sie Andûmale, das Meerland, nennen. Die Neshtiseque - die Nordwindkinder - wurden von den Aleandon im Zuge des Untergangs des alten Aleandon-Reiches getrennt. Seither leben sie in den Regionen des ewigen Eises im Norden von Apaconor. Erst vor kurzem kamen die beiden Völker wieder in Kontakt.
Die Meerkinder sind von ruhiger Natur. Weisheit und Bildung stehen ihnen weit über Mut und Kraft. Sie verachten den Krieg und waren stets um Aussöhnung bemüht. Seit dem Untergang ihres alten Reiches in Krieg und Chaos haben sich diese Züge noch verstärkt. Die lange Isolation vom Rest der Welt hat ihr übriges dazu getan. Waren sie einst friedliebend, so zaudern sie jetzt oft, wo Handeln nötig wäre, und die wenigen, denen es nicht an Mut und Tatkraft mangelt, gelten als Unruhestifter.
Die Menschen von Apaconor haben über die Jahrhunderte vergessen, daß einst auch Meerkinder in ihren Landen lebten. Geblieben sind allein die Geschichten von Nixen und Wasserwesen - auch wenn die Aleandon weder einen Schwanz noch Schuppen haben und auch nicht im Wasser leben.

Die Windkinder

Die Windkinder sind klein - die größten unter ihnen erreichen kaum fünf Fuß. Ihre Haut ist von einer grauen Farbe und erscheint uns Menschen rauh und unansehnlich. Ihr Haupthaar hat nicht eine einzelne Farbe, stattdessen ist jede Strähne anders gefärbt. Grau- und Schwarztöne überwiegen, Braun ist sehr selten. Sie sind von kräftiger, untersetzter Statur, mit einem großen, tiefen Brustkorb. Ihre Beine erscheinen uns unproportional lang und so sind sie nicht nur außergewöhnlich kräftig, sondern auch besonders schnell und ausdauernd.
Über ihren Charakter ist wenig bekannt. Die Ishia, die sie wohl neben den Mai San am besten kennen, berichten, daß Windkinder eher vorsichtig als aggressiv sind. Sie jagen vor allem Kleinwild und Insekten. Doch können sie selbst den mächtigen Schneelöwen erlegen, wenn er ihrer Gruppe gefährlich wird. Vor Menschen fliehen sie gewöhnlich, aber treibt man sie in die Enge, sind sie ein gefährlicher Gegner.
Die Windkinder kennen weder Metalle noch Stoffe. Sie fertigen ihre Werkzeuge aus Stein und Knochen und kleiden sich in Felle. Unterschlupf finden sie in Höhlen oder selbst gegrabenen Erdhöhlen. Selten einmal fertigen sie einen improvisierten Windschutz aus Zweigen oder Fellen. Das Feuer dagegen ist ihnen bekannt.
Über die politische Organisation der Windkinder wissen wir nichts. Mittlerweile können wir aber mindestens vier Populationen oder Völker unterscheiden. Das erste lebt in den nördlichen Gebieten Mai Hoi Nes und in den nördlichen Ebenen. Von den Mai San werden sie manchmal gejagt oder versklavt. Die Ishia dagegen ignorieren die Windkinder größtenteils, da sie keine Gefahr darstellen.
Die zweite Population bevölkert schon seit langem die weiten Ebenen und sanften Hügel im Osten Diconors. Mit den Aleandon, ihren Nachbarn, hatten sie bis vor kurzem keinen Kontakt. Ob sie niemals so weit im Westen Diconors siedelten, oder ob sie sich bei der Ankunft der Aleandon aus dieses Gegenden zurückgezogen haben, ist nicht bekannt.
Das dritte Volk lebt im äußersten Osten Diconors. Es scheint sich hierbei um Nachfahren der alten Minensklaven der Mai San-Kolonie zu handeln. Als einziges Volk der Windkinder kennen sie die Eisenbearbeitung und sprechen auch eine stark vereinfachte Form des Mai So. Die herrschende Kaste unter ihnen ist durchweg größer, schlanker und zierlicher gebaut als ihre Untergebenen. Sie zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Aggressivität aus. Über die Jahre unterjochten sie die restlichen Windkinder Diconors und zwangen sie zum Frondienst in Heer und Minen. Im Jahr 1856 auc griffen sie schließlich Neshive im äußersten Norden Andûmales an und zerstörten es vollkommen. Nur mit Mühe und unter großen Opfern gelang es den Aleandon schließlich den Krieg zu beenden.
Das letzte Volk der Windkinder schließlich wurde erst vor kurzem entdeckt. Sie leben auf den Inseln nördlich von Apaconor. In dieser kargen Gegend, die lange Monate in absoluter Finsternis liegt, fristen sie ihr Dasein durch die Jagd auf Meeressäuger und Fische.

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