Seefahrt (Forts.)

Die Mai San

Lange Zeit waren die Sabener die uneingeschränkten Herrscher in den südlichen Ozeanen. Doch etwa ab dem Jahr 700 auc begann sich auch in Mai Hoi Ne die Schiffahrt zu entwickeln. Bald waren die Mai San ernstzunehmende Konkurrenten, die den Sabenern gern und oft das Leben schwer machten. Im Jahr 1187 auc dann neigte sich die Waage ganz zu Gunsten des westlichen Reiches, als es der Flotte aus Mai Hoi Ne gelang, die sabessischen Schiffe bei Ianaca vernichtend zu schlagen. Die sabessische Flotte erholte sich nie mehr von diesem Schlag, was letztendlich auch zur Abspaltung Talillas vom Mutterland führte.
Die Schiffe der Mai San entwickelten sich sicherlich nach dem Vorbild der sabessischen, doch schon bald tauchten auch eigene Entwicklungen auf. Das Segel wurde gekürzt, so daß es nur noch die Form eines Trapez hattes und gänzlich hinter dem Mast stand. Um trotzdem genügend Vortrieb zu erhalten, wurden die Masten immer höher, die Segel immer riesiger. Masten dieser Größe mußten fest mit dem Schiff verbunden werden. Stattdessen verzichteten die Mai San schon sehr früh auf Ruderer. Bald tauchten auch Schiffe mit mehreren Masten auf, doch es dauerte bis in die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, bis die Segel geteilt wurden, um die Handhabung zu vereinfachen und besser auf die Windverhältnisse reagieren zu können.
Durch die festen Masten wurde der Einsatz von Katapulten, die im hohen Bogen feuerten, unmöglich. Allein diese Tatsache sicherten der sabessischen Flotte noch lange die Vormacht, obwohl die Mai San mittlerweile eindeutig die besseren Schiffe bauten. Dann jedoch wurde in Mai Hoi Ne der erste Vorläufer der heutigen Geschütze gebaut. Es handelte sich dabei um eine Art riesigen Bogen, der - fest mit dem Schiff verbunden - seine Geschosse waagerecht abfeuerte. Mit solchen Geschützen bewaffnet, gewannen die Mai San die Seeschlacht von Ianaca.
Doch den größten Fortschritt machten die Mai San auf dem Gebiet der Navigation. Nicht nur, daß sie die ersten exakten Karten zeichneten, sie erfanden auch den Kompaß sowie die Navigation nach dem Stand der Gestirne. Die Kapitäne aus Mai Hoi Ne waren die ersten, die den Breitengrad aus der Mittagshöhe der Sonne bestimmten, doch eine genaue Berechnung des Längengrades gelang ihnen - meines Wissens nach - nie. Über zweihundert Jahre lang waren sie die uneingeschränkten Herrscher der See. Ihre Schiffe legten weite Reisen zurück, nicht nur nach Eoconor sondern auch nach Diconor, wie wir mittlerweile wissen.

Die Dhaharrani

Umso erstaunlicher war es, als 1403 mit einem Mal keine Mai San Schiffe mehr in den Häfen Sabemas auftauchten. Erst nach einiger Zeit drang die Kunde durch, daß der Kaiser von Mai Hoi Ne jegliche überseeischen Unternehmungen verboten hatte. Seetüchtige Schiffe wurden verbrannt oder abgewrackt und nur die Küstenfischer durften ihre Boote behalten. Kapitäne, die versuchten, dieses Verbot zu umgehen, wurden mit unerbittlicher Härte verfolgt, sie und ihre Mannschaft wurden hingerichtet. Ein Grund für diese Maßnahmen wurde nie genannt und heute können wir nur vermuten, daß es in einem Zusammenhang mit der Zerstörung der Kolonie auf Diconor steht, die etwa zur gleichen Zeit erfolgte.
Ihre Nachfolger auf den Weltmeeren wurden die Dhaharrani, die bislang sehr im Schatten ihrer nördlichen Nachbarn gestanden hatten. Zuerst erinnerten ihre Schiffe stark an ihre einstigen Lehrmeister, erst nach und nach entwickelten sie eigene Neuerungen. Die wichtigste unter ihnen ist wohl das Steuerruder, das mittschiffs unter der Wasseroberfläche angebracht ist, und von einem Steuerrad auf dem Achterdeck aus gelenkt wird.
Anders als alle ihre Vorgänger brachten es die Dhaharrani nie zu einer Kriegsflotte. Ihre Schiffe waren dem Handel zugedacht, nicht dem Kampf. Nicht wenige der Kaufleute handelten mit verderblicher Ware, und so wurden die Schiffe mit der Zeit wieder schlanker und schneller. Gegen die Piraten, die etwa um diese Zeit begannen, die Eobragi unsicher zu machen, waren die Mannschaften groß und schwer bewaffnet. Erst sehr spät, nach dem Aufblühen der belidischen Seefahrt, setzten auch die Dhaharrani Geschütze ein. In den letzten Jahren soll es den einen oder anderen Kapitän aus diesem Land gegeben haben, der sich in Mai Hoi Ne Kanonen aus dubiosen Quellen besorgt hat. Diese Kanonen sind lange, schwere Rohre, die unter ohrenbetäubendem Lärm und in einer Wolke aus Rauch und Feuer, große Steinkugeln gegen den Gegner schleudern können. Allein die Mai San kennen das Geheimnis ihrer Herstellung und eigentlich droht jedem Ausländer, der sich diese Waffe verschaffen will, der qualvollste Tod.
Die Dhaharrani besegeln noch immer das südliche Meer, und ab und zu findet noch immer eines dieser fremdländischen Schiffe seinen Weg in die sabessischen Häfen, doch alles in allem wurden sie von den belidischen Seefahrern größtenteils verdrängt. Auf den Eobragi dagegen sind sie um einiges häufiger und im Äußeren Meer zuletzt - zumindest im Moment noch - die alleinigen Herren.

Die Naskyrik

Sabener, Mai San, Dhaharrani - sie alle verließen kaum jemals die warmen Gefilde ihrer Heimat und wagten sich in das rauhe, stürmische Nordmeer vor. Hier und noch mehr im Eismeer des hohen Nordens waren die Naskyrik zuhause. Ihre Schiffe waren von rundlicher Form und im Gegensatz zu den Schiffen des Südens Klinker beplankt, um auch den stärksten Stürmen zu trotzen. Noch eine Besonderheit zeichnete ihre Schiffe aus: sie führten kein Achterstag. Stattdessen wurde der Mast nur von der Vorstag und den weit nach hinten verstetzten Wanten gestützt. Auf diese Weise gelang es den Naskyrik, die das Rahsegel erfunden hatten, trotzdem erstaunlich hoch am Wind zu segeln. Doch auch Einschränkungen brachte diese Bauweise mit sich. Die Masten waren immer gefährdet und konnten nur eine geringe Höhe erreichen. Gelenkt wurden die Fahrzeuge der Naskyrik von einem einzelnen Steuerruder auf der rechten Seite des Hecks.

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