Seefahrt (Forts.)

Die Werft von Wittarn-Alleroog

Etwa ab dem Jahr 1800 auc setzte aber so etwas wie Stagnation im belidischen Schiffsbau ein. Man begann sich mit den bekannten Problemen abzufinden und sann nicht mehr unentwegt auf eine Lösung. Doch in Wittarn gab es einige Konstrukteure, die sich damit nicht zufrieden geben wollten und bereit waren, die Pfade des Bekannten zu verlassen. Besonders zu nennen sind hierbei Arsi Bootsbauer und sein Enkel Yanol. Arsi, ein begnadetet Bootsbauer und Yanol, der vor seiner Entlassung wegen flegelhaftem Betragen einer der begabtesten Studenten der sadariner Akademie gewesen war, wollten endlich Schiffe bauen, die am Wind so wendig waren wie davor. Doch auf den traditionellen Wegen war das nicht zu erreichen und so erprobten sie Rigg um Rigg, bis sich endlich eine Lösung abzeichnete. Durch weitere Stagsegel gelang es ihnen, die Rahsegel auch dann zum Vortrieb zu nutzen, wenn diese mit der Kante in den Wind standen. Auf diese Weise gesegelt, konnte ihr Boot doppelt so hoch an den Wind gehen, wie davor. Aber die Seeleute waren skeptisch und lange fand sich niemand, der bereit war, das Geld für das erste größere Schiff nach dieser Bauweise aufzubringen. Erst nach mehreren Jahren, 1834 auc, fand sich jemand. Doch das Glück war Ari und Yanol nicht hold - noch nicht - denn der Geldgeber starb, bevor das Schiff vollendet werden konnte und seine Erben zogen sich aus jeder Beteiligung an diesem, in ihren Augen waaghalsigen Unternehmen zurück. Erst 1838 auc, als Timalo Fischersohn das noch fehlende Kapital aufbringen konnte, wurde die Taube vollendet. Das Schiff erfüllte alle Hoffnungen seiner Erbauer, ja, es ging noch weit darüber hinaus. In Belida aber wollte man nach wie vor nichts von diesen neumodischen Schiffen wissen und so nahmen Ari und sein Enkel schließlich im Jahr 1840 auc das Angebot an, nach Alleroog überzusiedeln und dort eine Werft ins Leben zu rufen. Auf dieser Insel bauten sie seither so manches Schiff und noch mehr Fischerboote, die größten, schönsten und bekanntesten davon sind aber ohne Zweifel die Falke aus dem Jahr 1840 und die Meerbraut, die fünf Jahre später auf Kiel gelegt wurde.
Neben dem verbesserten Rigg zeichnen sich diese Schiffe durch einen größeren Tiefgang bei schärfer geschnittenem Rumpf aus. An Schnelligkeit und Wendigkeit sind sie jedem anderen Schiff ihrer Zeit weit überlegen, zumindest was die anderen Menschenvölker angeht. So können sie auf eine schwere Bewaffnung verzichten und führen nur leichte Geschütze, was sich wiederum in ihrem Ladevermögen bemerkbar macht.

Die Aleandon

Doch will ich nun die Reiche der Menschen verlassen und mich den Aleandon zuwenden. Dieses Volk hat wohl als erstes die Meere befahren und bis heute sind ihre Schiffe von unerreichter Eleganz und Schnelligkeit. Mit den Schiffen der Menschen sind sie nicht zu Vergleichen, weder in der Art noch in der Ausführung. Am augenfälligsten und auch am erstaunlichsten ist wohl die Tatsache, daß die meisten Schiffe der Aleandon nicht einen, sondern sogar zwei Rümpfe haben. Jeder dieser Rümpfe für sich ist ausgesprochen lang und schmal, doch nebeneinandergelegt und durch geschickte Handwerker fest miteinander verbunden, bilden sie eine Einheit, die breiter ist als jedes Schiff der Menschen. So sind sie weitgehend vor der Gefahr des Kenterns gefeit und können schier unglaublich hohe Masten tragen. Nur bei kleineren Booten findet man machmal einen Einrumpfer, doch gerade dort gibt es auch Fahrzeuge mit drei Rümpfen, wie um die anderen auszugleichen.
Auch die Segel unterscheiden sich von den unseren, denn obwohl die Masten so hoch sind, sind die Segel nicht geteilt. Niemand, der diese riesigen Schwingen nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich vorstellen, wie groß diese Segel sind. Möglich werden solch große Segel durch einen Stoff, leicht und zugleich ungeheuer fest, dessen Herstellung nur den Aleandon bekannt ist. Die Segel haben dabei die Form eines schlanken Dreiecks, dessen zweitlängste Seite am Mast anliegt. Manchmal verwenden sie auch ein Segel, das dem Gaffelsegel der belidischen Fischer ähnelt, jedoch stets mit einem dreieckigen Topsegel. Diese Segel lassen sich besonders einfach und schnell bedienen und benötigen dafür nicht einmal eine große Mannschaft.
Als wären die Schiffe auf diese Weise noch nicht schnell genug, haben die Aleandon eine weitere Erfindung gemacht. Sie überziehen die Rümpfe ihrer Schiffe mit einem harten, glasartigen Lack, der das Schiff nicht nur vor Würmern schützt und so einen Kupferbeschlag unnötig macht, sondern auch jede Ansiedlung von Muscheln und Algen verhindert. Selbst nach vielen Jahren in tropischen Meeren sind diese Rümpfe so glatt wie am ersten Tag. Neben diesen stolzen Schiffen nehmen sich die der Menschen aus, wie ein Huhn neben der schnellen Möwe.

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