Aronan

Aronan, die Heimat der Naskyrik, ist eine Insel im Eismeer, nördlich von Belida. Von Nord nach Süd mißt sie etwa 370 Meilen, von West nach Ost hundert Meilen weniger. Das Land wird in drei Bezirke eingeteilt: das Süd-, das Ost- und das Nordrecht. Insgesamt erscheint es dem Besucher aus dem Süden als ein karges, ein armes Land, doch täuscht der Eindruck oft. Zwar gibt es keine Steinbauten und noch weniger ummauerte Städte, auch fehlt es in weiten Landstrichen fast völlig an Straßen, doch bieten das Meer und die vielen Flüsse einen schier unerschöpflichen Reichtum. So nimmt es kaum Wunder, daß die Naskyrik wie kaum ein anderes Volk in ihre Schiffe und die Seefahrt vernarrt sind. Und tatsächlich sind Boote in einem Land, dessen Wege nur zu oft im Morrast enden, das sichereste und bequemste Transportmittel. Doch wollen wir nun die drei Landesteile genauer betrachten.

Das Südrecht ist der am dichtesten bevölkerte und auch der bevölkerungsreichste Landesteil. Das Land ist von flachen Hügel durchzogen. Die Täler sind oft sumpfig, die Hänge bewaldet, wo das Land nicht bewirtschaftet wird. Es ist ein Land der Bauern. Fette Weiden nähren das Milchvieh und zur Erntezeit leuchten die Äcker golden von Gerste, Roggen und Hafer. In besonders geschützten Lagen gedeit sogar etwas Weizen und auch der eine oder andere Obstgarten. Im Nordosten des Südrechts, wo das Land ansteigt, erstrecken sich schier endlose Wälder. Hier wird der Großteil des für Haus- und Schiffsbau verwendeten Holzes geschlagen. Neben der Land- und Forstwirtschaft spielt auch die Fischerei in den Flüssen und Seen eine große Rolle.
An einem dieser Seen im Südrecht liegt Iskog, die größte Stadt Aronans - die doch für einen Sabener kaum mehr als ein Dorf zu sein scheint. Iskog ist eine Stadt des Handels. Es gibt kaum etwas, was es dort nicht gibt, sogar Seide aus Mai Hoi Ne wird dort manchesmal von weitgereisten Händlern angeboten. An der Mündung des Flusses, der nach Iskog führt, liegt auf einer Insel im Meer Giberska, der zweitwichtigste Handelsplatz des Südrechts. Hier landen all die Schiffe an, die für die Fahrt nach Iskog zu groß sind.

Das Ostrecht ist ein von Bergen geprägtes Land. Der größte Teil wird von seltsam abgeflachten Bergen eingenommen, die nur hier und da von tiefen Tälern durchschnitten sind. Wo diese Täler auf die Küste stoßen, haben sie lange, gewundene, von hohen Felswänden eingerahmte Buchten gebildet. In diesen Buchten, die eher Schluchten gleichen, spielt sich fast das ganze Leben der Bewohner ab, von einigen Sommerweiden für Kühe und Schafe in den Bergen abgesehen. Diese Viehzucht ist eine der wichtigsten Nahrungsquellen: der Käse aus diesem Landesteil ist weithin berühmt, wenn auch für einen ungeübten Magen kaum genießbar. Daneben bauen die Bauern Wasserkorn in langestreckten Teichen an. Daraus backen sie nicht nur ihr eigenes Brot, sondern auch Zwieback für die Schiffsbesatzungen. Mittlerweile wird der naskyrische Wasserkornzwieback sogar von so manchem belidischen Kapitän auf lange Fahrten mitgenommen, denn es gibt kein Brot, das länger genießbar bleibt.
Doch die Bewohner des Ostrechts sind nicht nur Bauern, sondern auch Seefahrer. Mehr noch als die Naskyrik aus den anderen Landesteilen, gehen sie auf weite Fahrten, ob nun des Handels oder des Raubes wegen. Die in der ferne erworbenen Schätze tragen sie bevorzugt nach Beska, das dabei ist, Iskog als Handelszentrum ernsthafte Konkurrenz zu machen. Fischfang dagegen spielt im Ostrecht eine untergeordnete Rolle. Sicher kommt auch dort Fisch oft und häufig auf den Tisch, doch wird er nur für den Eigenbedarf gefangen und weder weiterverarbeitet noch verkauft.

Der letzte Landesteil schließlich ist das Nordrecht. Hier sind die Berge nicht ganz so hoch, doch durch die höheren Breiten ist das Land fast noch karger. Landwirtschaft wird nur noch für den Eigenbedraf betrieben und in so manchem Jahr müssen die Bauern Korn aus dem Süden zukaufen, wollen sie nicht verhungern. Auch die Viehzucht gedeiht nur schlecht, in einem Land in dem die Winter schneereich und die Sommer kalt sind. Umso reicher sind die Schätze des Meeres. Die Bewohner des Nordrechts fangen große Mengen Fisch, der getrocknet oder gesalzen bis nach Sabema und Talilla gehandelt wird. Daneben machen sie Jagd auf Wale, Robben und Walrosse. Das Fleisch dieser Tiere kommt auf den Tisch, aus dem Fett wird Tran gekocht und die Häute zu Tauen verarbeitet. Am wertvollsten aber sind die Hauer der Walrosse, für die die Schnitzer in Belida und Sabema enorme Summen bezahlen.
Daneben gibt es in dieser Gegend reiche Erzvorkommen: neben Eisen auch Gold und Silber. So gibt es durchaus den einen oder anderen sehr reichen Häuptling im Nordrecht, wenn auch das Land insgesamt eher karg und spärlich besiedelt ist.

Schon immer waren Ost- und Nordrecht eng miteinander verbunden. Der Menschenschlag ist ähnlich und tatsächlich gibt es viele verwandschaftliche Bande zwischen den beiden Teilen. Das Südrecht dagegen mit seinem lieblicheren Gesicht hielt sich schon immer etwas abseits. So fiel es den beiden anderen Landesteilen nicht schwer, sich zu verbünden, als der Herr von Iskog den Süden unter seiner Herrschaft vereinte, und sich zum König aller Aronan machen wollte. Damals bauten die Menschen des Nord- und Ostrechts gemeinsam die große Fjellstraße, um unabhängig vom Wasserweg schnell Botschaften austauschen zu können. Schon lange ist die Macht im Südrecht wieder geschwunden, doch noch immer wird die Fjellstraße gepflegt.

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