Das Verlorene Kap

Das Verlorene Kap verdankt seinen heutigen Namen einem Übersetzungsfehler. In der Sprache der Thalwesc, die früher über die im Osten angrenzenden Gebiete herrschten, heißt es nämlich "arlathelwe amluheginas efuneginas", das "Kap der verlorenen Seelen". Der Bezug zu den Seelen verschwand irgendwann, und so gilt heute das Kap selbst als verloren, obwohl fast jedes Kind in Belida weiß, wo es liegt.

Woher aber kommt dieser alte Name? Dazu muß man wissen, daß die Felsen an diesem Kap, das ja die Nordspitze des Hochschatt darstellt, so steil ins Meer abfallen, daß die Buchten in der Nähe des Kaps nur von See, aber nicht von Land her zugänglich sind. Die Thalwesc machten sich das zunutze und setzten hier alle Menschen aus, in denen sie eine Bedrohung für die Gesellschaft sahen: Irre, Aussätzige, aber auch Verbrecher, die besonders schwere Schuld auf sich geladen hatten, wie etwa Vatermörder. Wer einmal den Fuß auf einen dieser einsamen Sandstrände gesetzt hatte, war wahrlich eine "verlorene Seele".

Schenkt man jedoch den Seeleuten Glauben, die die Kapgewässer befahren, so gibt es eine weitere Erklärung. Sie berichten von einer Stelle, wo der Fels viele hundert Fuß weit senkrecht ins Meer abfällt. Vor Hunderten von Jahren hat hier ein Erdbeben eine ganze Halbinsel ins Wasser gerissen. Erlebt man aber - so die Seeleute - das hier häufig stürmische Meer an einem Tag, an dem es ruhig und glatt wie ein Spiegel daliegt, so kann man im Wasser seltsame Formen entdecken. Säulen und Torbögen, blinde Fenster und zerfallene Giebel gäbe es da zu sehen - eine Stadt voller verlorener Seelen.

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Anm. des Herausgebers:
Ob man die verlorene Stadt heute noch im Wasser liegen sehen kann, wage ich zu bezweifeln. Allerdings halte ich es nicht für unwahlrscheinlich, daß sich unter den Menschen Legenden von einer großen, mächtigen, aber längst vergangenen Stadt gehalten haben. Denn hier am vergessenen Kap befand sich einst Alt-Tiluvo, die Hauptstadt des Alten Reiches der Aleandon.