Ishia - Das Leben im Jahreskreis (Forts.)

Herbsternte

Nach der Sommersonnwende teilen sich die Stämme wieder in kleine Gruppen auf, bis es Zeit für die Herbsternte wird. Diese findet ihn den Tagen vor der Herbsttagundnachtgleiche statt. Die südlichen Stämme ziehen dazu in die Felskastanienwälder der Berge, die nörlichen Stämme in die Feuchtgebiete, wo es große Sumpfgraswiesen gibt. Dabei ist jedem Stamm ein bestimmtes Gebiet zugeteilt und in einem fremden Gebiet zu ernten ist Anlaß für erbitterte Fehden, hängt doch von dieser Ernte das Überleben des Stammes im Winter ab.
Die Herbsternte wird mit einem großen Fest beendet. Danach ziehen die Jäger ein letztes Mal geschlossen hinaus auf die Ebene, um die großen Herden bei ihrer Wanderung in die Winterquartiere abzupassen. Der Rest des Stammes zieht mit der Ernte direkt in die Winterquartiere, begleitet nur von einigen wenigen Kriegern.

Winterleben

Während sich die Stämme der Ishia im Sommer mischen und keine Grenzen zu kennen scheinen, ziehen sie sich für den Winter jeder in sein angestammtes Gebiet zurück. Die Winterreviere liegen in den Tälern des Gebirges, wo man zumindest etwas Schutz vor den beißenden Nordwinden hat. Die meisten Stämme bewohnen im Winter ein festes Lager, das in der Regel schon seit vielen Generationen genutzt wird. Je nach den örtlichen Gegebenheiten hausen sie dort in Höhlen oder großen, höhlenähnlichen Häusern, die halb in den Boden gegraben sind, und deren Dach oft zusätzlich zum Schutz gegen die Kälte mit Erde bedeckt ist, so daß sie von außen mehr einem seltsamen Erdhügel denn einem Haus gleichen.
Schematische Zeichnung eines Winterhaus, wie es von den Rotfelsen erbaut wird. Das Dach wird von Holzstangen getragen, die in der Art eines Zeltes zusammengebunden sind. Von diesen gehen weitere Holzstangen nach außen, wo sie von einem Erdwall gehalten werden. Die Erde für diesen Wall stammt aus dem Inneren des Hauses, wo sich eine leicht abfallende Fläche, die vor allem als Schlafplatz dient, um eine tiefer gelegene Mitte zieht. In dieser Vertiefung in der Mitte befindet sich die Feuerstelle. Über die Holzstangen des Daches werden geflochtene Matten und Zweige gebreitet, bevor das Dach mit einer Schicht Erde und den ausgehobenen Grassoden abgeschlossen wird. Nur über der Feuerstelle bleibt eine Öffnung, die bei schlechtem Wetter mit einem ledernen Lappen verschlossen werden kann.

Nur die beiden südlichsten Stämme, die Grasmeer- und Winterfluß-Ishia, leben auch im Winter in ihren Zelten, doch werden die für kalte Jahreszeit fest aufgebaut und von außen bis etwa auf Mannshöhe mit Erde, Zweigen und Schnee gegen die Kälte und den Wind geschützt. Wo immer es geht, befinden sich diese Winterlager in der Nähe von heißen Quellen, wie man sie in diesem Gebirge häufig findet. Diese Quellen bieten nicht nur den Menschen Wärme, sondern auch den Tieren, so daß die Jagd dort im Winter meist erfolgreich ist.
Wenn es die Witterung irgend zuläßt findet auch im Winter das Leben der Ishia hauptsächlich im Freien statt, denn selbst dieses sehr auf Reinlichkeit bedachte Volk schafft es nicht, die Winterunterkünfte frei von Gestank und Rauch zu halten. Allerdings versucht man immer, in der Nähe des Lagers zu bleiben, um bei einem Witterungsumschwung schnell Schutz zu finden. Besonders gegen Ende des Winters aber, wenn die Vorräte knapp sind, müssen immer wieder kleine Jagdtrupps das Lager auf der Suche nach Beute. Oft sind sie dann mehrere Tage unterwegs. Diese harte und entbehrungsreiche Aufgabe überträgt man gerne den jungen Jägern. Erst wenn sie mit leeren Händen zurückkehren, nehmen die erfahreneren Männer die Jagd auf. Ist ein solcher Jagdtrupp gezwungen, fern des Lagers zu übernachten, dann bietet eine schnell gebaute Schneehöhle Schutz für die Nacht.

Die meiste Zeit des Winters verbringen die Ishia jedoch im Lager. Auch wenn nie jemand wirklich den Müßiggang pflegt, so ist dies doch die Zeit der Entspannung, des Spiels und vor allem der Geschichten. Mit schier unersättlicher Begeisterung hören sie auch zum dutzendsten Mal den Bericht über eine große Jagd oder einen Kriegszug an. Auf uns würden diese Erzählungen wohl sehr ermüdend wirken, verwenden sie doch großen Raum auf die genaue Beschreibung der geographischen Begebenheiten, der Verwandtschaftsbeziehungen aller beteiligter Personen und der Witterungsbedingungen. Für die Ishia jedoch, die weder Schrift noch Karten kennen, ist dieses Wissen von enormer Bedeutung und sie bringen großes Interesse dafür auf. So kommt es, daß ein erwachsener Ishia sich wohl überall in den nördlichen Ebenen zurechtfindet, selbst in Gegenden in denen er noch nie war, und jeden anderen erwachsenen Ishia zumindest dem Namen nach kennt.

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