Ishia - Familienleben

Männer und Frauen

Die Gebräuche der Ishia erscheinen uns oft unverständlich, ja sogar hart und grausam, für sie sind sie aber von glasklarer Logik und Notwendigkeit. Das Leben im Norden ist hart und gezeichnet von Entbehrungen und allgegenwärtigen Gefahren. Hier braucht es strikte Regeln, um das Überleben aller zu sichern.
Man kann viele Traditionen der Ishia nur verstehen, wenn man sich ihr Bild der Geschlechter vor Augen hält. Für sie ist der Unterschied zwischen Mann und Frau nebensächlich. Was allein zählt, ist der Unterschied zwischen Jägern und Sammlern. Die Aufgabe des Jägers ist es, das Fleisch zu besorgen, das einen großen Teil ihrer Nahrung ausmacht. Die Häute der von ihm erlegten Tiere sind unverzichtbares Material für Kleidung, Zelte und tausend andere Dinge. Zusätzlich obliegt es ihm, seine Familie und den Stamm zu verteidigen, sowie an Überfällen auf andere Stämme oder benachbarte Völker teilzunehmen. Für den Jäger lauern überall Gefahren, sei es durch Unfälle, Tiere oder andere Menschen und die wenigsten sterben den Alterstod.
Das Leben des Sammlers ist weniger gefährlich, wenn auch nicht weniger entbehrungsreich. Er steuert Wurzeln, Beeren, Nüsse und andere essbaren Pflanzen zur Kost bei. Auch manche Insekten und andere kleinen Tiere werden von ihm gesammelt. Die Sammler bleiben näher am Lager, deswegen sind sie mit vielen Lagerarbeiten betraut, wie der Zubereitung der Mahlzeiten und dem Fertigen von Kleidung, Zelten oder Behältnissen. Ihre vordringlichste Aufgabe aber ist die Sorge für die Kinder. Hier nun kommt der Unterschied zwischen den Geschlechtern zum Tragen. Zur Sorge für die Kinder gehört untrennbar das Stillen der Kleinsten - und damit ist es jedem Mann verwehrt, ein Leben als Sammler zu führen. Frauen dagegen stehen beide Wege offen und tatsächlich wählen die meisten Mädchen - zumindest für die ersten Erwachsenenjahre - das Leben des Jägers. Später wechselt ein Großteil dann doch zu den Sammlern, aber zu jeder Zeit zieht etwa ein Drittel der Frauen mit den Männern auf die Jagd.

Die wichtigste Größe im Leben der Ishia ist die Familie, die stets nur aus den Ehegatten und ihren Kindern besteht. Um die Versorgung der Familie mit allem, was zum Leben nötig ist, sicherzustellen, muß einer der Gatten ein Jäger, der andere ein Sammler sein. Die Ehe zwischen zwei Frauen ist möglich und sogar relativ gebräuchlich. Zwei Männer dagegen können keine Partnerschaft eingehen. Affairen zwischen Männern werden jedoch geduldet, solange sie die beteiligten Familien nicht gefährden. Wie die Ishia mit einem Augenzwinkern sagen: "Die Nächte bei der Winterjagd sind kalt." Wollen zwei Männer auf ihrer Partnerschaft bestehen, so können sie nur hoffen, ein Paar Frauen zu finden, das bereit ist, mit ihnen eine Doppelfamilie zu bilden.
Die einzige Pflicht der Familie ist die Aufzucht der Kinder. Sind keine Kinder da, oder sind sie bereits erwachsen, so kann die Scheidung innerhalb von Minuten vollzogen werden. Im anderen Fall kann sie erst stattfinden, wenn die Versorgung der Kinder sichergestellt ist, das heißt wenn entweder eine Adoptivfamilie gefunden ist, oder einer der beiden Gatten einen neuen Partner hat. In jedem Fall aber kann die Scheidung von beiden Seiten ausgehen.

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