Ishia - Familienleben (Forts.)

Kindheit

Nach der Geburt eines Kindes, muß es zuerst in den Stamm aufgenommen werden. Dabei wird zwischen Sommer- und Winterkindern unterschieden. Bei Kindern, die zwischen der Frühjahrs- und Herbsttagundnachtgleiche geboren werden, genügt es, wenn die Eltern gemeinsam mit dem Neugeborenen vor den Stamm treten und ihre Absicht bekunden, dieses Kind als das ihre aufzuziehen. Winterkinder dagegen bedürfen der Zustimmung des ganzen Stammes und vor allem des Schamanen. Diese Zustimmung wird nur selten gegeben, da die Sterblichkeit von Neugeborenen in der Hungerzeit des Winters hoch ist. Stirbt das Kind trotz aller Bemühungen, so hat man wertvolle Vorräte verschwendet. Die meisten Winterkinder, aber auch einige Sommerkinder - besonders wenn sie mißgebildet oder sonst schwächlich erscheinen - werden ausgesetzt. Da eine Aussetzung in diesem rauhen, dünn besiedelten Land einer Tötung gleichkommt, geschieht es auch immer wieder, daß ein Vater sein Kind eigenhändig tötet. Dies gilt als besonders ehenvoll und tapfer.
Selbst wenn ein im Winter geborenes Kind in den Stamm aufgenommen wird, so hat es kein leichtes Leben. Noch im Erwachsenenalter wird es als Unglücksrabe gelten. Die wenigsten dieser Menschen erreichen Ansehen und Status. Aus diesen Gründen wird jede Frau versuchen zu vermeiden, ein Kind im Winter zu gebären. Verschiedene Pflanzen, die die Empfängnis verhindern sollen, finden dabei Anwendungen und es werden auch Abtreibungen durchgeführt.

So kommt es, daß die meisten Ishia im Sommer geboren werden. Die Kinder eines Sommers bilden eine verschworene Gruppe und die Bindungen zwischen ihnen haben ein Leben lang Bestand. Bei jeder Mittsommerfeier werden die Mitglieder jedes Jahrgangs feierlich aufgezählt. Der Geburtstag selbst wird aber nicht gefeiert und so wissen die meisten Ishia zwar genau, wieviele Jahre sie zählen, kennen aber das genaue Datum ihrer Geburt nicht.

Die Kindheit wird in drei Stadien unterteilt. In den ersten fünf Jahren sind die Zeit des Kleinkinds. Das Kind ist ganz in der Obhut seiner Mutter, ja, wenn sie genügend Milch hat, wird es die ganze Zeit gesäugt. Die Erziehung in diesen Jahren ist sehr locker. Schelte oder sogar Strafen gibt es nur im äußersten Notfall. Die nächsten fünf Jahre gelten als die eigentliche Kindheit. Beide Eltern sind nun in die Erziehung eingebunden. Die Kinder übernehmen Pflichten und werden in den Künsten geschult, die sie später einmal brauchen werden. Dabei wird zwischen Mädchen und Jungen nicht unterschieden. Beide erlernen die Kunst zu Kämpfen und zu Jagen, beide lernen aber auch zu Kochen und die Gegenstände des täglichen Lebens anzufertigen und zu flicken. Die Ansprüche an die Kinder sind hoch, doch gesteht man ihnen durchaus zu, Fehler zu machen. Das ändert sich, sobald die jungen Menschen etwa zehn Jahre alt sind. Sie gelten nun als Heranwachsende. Man erwartet nun von ihnen, daß sie sich mit aller Kraft auf das Erwachsenenleben vorbereiten. Die Jungen beschäftigen sich nun ausschließlich mit den Fertigkeiten des Jägers, und auch die Mädchen beginnen sich für eine Richtung zu entscheiden. Fehler, ganz besonders jene, die aus Nachlässigkeit entstehen, werden nun hart bestraft. Man erwartet von den jungen Leuten, daß sie sich jeden Ratschlag nach dem ersten Hören zu eigen machen. Wurden die Kinder schon zuvor nicht verzärtelt, so müssen sie sich nun gezielt gegen Hunger, Kälte, Schmerz und andere Entbehrungen abhärten.

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