Ishia - Zeremonien

Mehrere Zeremonien begleiten das Leben eines Ishia: die Vorstellung kurz nach der Geburt, die Namensgebung zwischen dem fünften und dem vierzehnten Sommer, die Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen und schließlich die Beerdigung.

Die Vorstellung

In den ersten Tagen nach der Geburt wird das Kind dem Stamm präsentiert. Die Eltern bringen den nackten Säugling in der Kreis der versammelten Stammesmitglieder. Vor allen verkünden sie den Namen, den sie für das Kind gewählt haben. Daraufhin bittet der Schamane alle Seelen darum, dieses Kind unter ihren besonderen Schutz zu nehmen. Dabei zeichnet er dem Kind mit Ruß einen Kreis mit Punkt darin auf die Stirn, als Sinnbild für all die Seelen, die sich schützend um das Kind stellen. Zuletzt wird das Kind in einen weichen Pelz gehüllt und seinen Eltern zurückgegeben. Damit ist der zeremonielle Teil vorüber. Alle drängen sich nun um die Eltern, um ihnen zur Geburt des Kindes zu gratulieren und dem Kind Glück zu wünschen. Der Tag wird mit einem großen Fest, mit Singen und Tanzen, beschlossen und wenn es die Vorräte zulassen auch mit einem reichen Mahl.

Die Namensgebung

Beim ersten Mittsommerfest nach Erreichen seines fünften Sommers, das heißt im Alter zwischen fünf und vierzehn Jahren, nimmt das Kind an der Namensgebungszeremonie teil. Die Schamanen aller Stämme kommen dazu zusammen. Sie beobachten die Kinder und beraten sich ausgiebig. Schließlich werden die Kinder einzeln in das Zelt der Schamanen gerufen. Durch Meditation und Trance nehmen diese dann Kontakt mit der Seele des Kindes auf, um zu ergründen, ob sie mit dem bisherigen Namen zufrieden ist, und gegebenenfalls einen geeigneten Namen zu finden. Schließlich wird die Namensgebung, der Bund zwischen der Seele und ihrem Körper, durch eine Tätowierung besiegelt. In dieser Zeichnung können Außenstehende oft nur ein seltsames Ornament erkennen. Nur den Schamanen erschließt sich die Bedeutung der Linien. Für den jungen Menschen selbst aber wird dieses Zeichen für immer seinen Namen und damit seine Person symbolisieren - auch wenn er seine Bedeutung nicht kennt. Zum Abschluß des Sommerfestes werden schließlich alle Kinder in einem großen Fest den versammelten Angehörigen der neun Stämme mit ihren Namen vorgestellt.

Initiation

Im Herbst ihres vierzehnten Jahres werden die Heranwachsenden feierlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Bei der herbstlichen Ernte von Nüssen oder Samen werden die jungen Leute von allen Mitgliedern geprüft. Diese Prüfungen sind allerdings nicht festgelegt, sondern einem jeden Erwachsenen steht es frei, einen oder mehrere Jugendliche abzufragen oder ihnen eine Aufgabe zu erteilen. In dieser Zeit verbringen die jungen Leute die Nacht nicht im Lager, sondern sammeln sich etwas außerhalb. Dort werden ihnen von Erwachsenen bestimmte Geschichten erzählt, die meist einen moralischen oder philosophischen Hintergrund haben und noch einmal die wichtigsten Lehren der Ishia zusammenfassen. Zusätzlich werden die jungen Männer von älteren Frauen aus ihrer Verwandschaft in die Geheimnisse des Lebens zwischen Mann und Frau eingeführt, während andere Frauen den jungen Mädchen Ratschläge erteilen. Auf diese Weise sollen die jungen Männer lernen, ihre Ungeduld zu bezähmen und die Wünsche der Mädchen zu respektieren.

Am Vorabend der Tagundnachtgleiche dann bleiben die jungen Leute unter sich in ihrem Lager. Mit Singen und Tanzen versuchen sie sich die Zeit zu vertreiben, doch die Anspannung ist groß. Auch den nächsten Tag bleiben sie allein, denn in dieser Zeit beraten sich die Erwachsenen, ob die Jugendlichen wirklich reif für das Erwachsenenleben sind. Mit Sonnenuntergang kommen die Heranwachsenden ins Lager. Ein letztes Mal tragen sie das Zeichen des Kreis mit dem Punkt, das sie für die Zeit ihrer Kindheit unter den Schutz der Geister gestellt hatte. Dann senkt sich Schweigen über das Lager, während der Schamane langsam von einem zum anderen schreitet, in der einen Hand ein Messer, in der anderen einen feuchten Lappen. Mit diesem wischt er das aufgemalte Zeichen von der Stirn des Kandidaten, der damit zu den Erwachsenen gehört. Mit dem Messer könnte er theoretisch einen unwürdigen Kandidaten töten, doch ist dies schon sehr lange Zeit nicht mehr vorgekommen. Ist der letzte Jugendliche aufgenommen, bricht plötzlich ein unbändiger Jubel los, und dann beginnt ein rauschendes Fest. Als letztes Geschenk ihrer Eltern oder Verwandten erhalten die jungen Erwachsenen besonders schön gefertigte Kleidung, danach wird gesungen, getanzt und gegessen - oft bis zum Morgengrauen.

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