Firas-isha (Forts.)

1834 bis 1838: Die Zeit als Jungkrieger

Doch die beeindruckende Entwicklung des jungen Mannes kommt nun nicht zu Stillstand, eher im Gegenteil. Als hätte er mit dem Ende der Kindheit alle Beschränkungen hinter sich gelassen, bringt er jetzt erst seine Talente zur vollen Entfaltung wie ein junger Adler, der seine Schwingen erprobt. Entgegen der Tradition, nach der sich die Jungkrieger in Jagd und Kampf zuerst erfahreneren Kriegern anschließen, führt Firas noch im ersten Winter eine eigene Gruppe zu einem Überfall auf ein Bauerndorf der Mai San. Seine vier Gefährten - allesamt älter als er - ordnen sich willig seinem Kommando unter und entgegen der Unkenrufe der Älteren kehren sie mit Ruhm und Beute reich beladen zurück. Wieder einmal ist er in der Achtung seiner Stammesgenossen gestiegen und die vier Gefährten dieses ersten Überfalles bilden bald den Grundstock für eine größere Anhängerschar, vornehmlich unter den Jungkriegern, doch mehr und mehr auch unter den Erfahreneren.

Zu diesem Zeitpunkt gibt es bei den Rotfelsen-Ishia drei junge Leute, die sich allmählich einen Namen machen. Außer Firas sind das Mani ("Speer"), ein Jahr älter als Firas und die waghalsigste Reiterin des Stammes, und vor allem Aykish-kutua ("roter Hügel"), die einen Kampf um die größte Anhängerschar liefern. Denn Kutona, Firas' Vater wird allmählich alt, und der Tag, an dem ein Nachfolger im Amt des Häuptlings vonnöten sein wird, ist nicht mehr fern.

Noch liegt Aykish klar vorne in diesem Rennen. Besonders die Älteren favorisieren ihn, denn sie trauen ihm mehr Erfahrung zu, als dem sechs Jahre jüngeren Firas. Firas aber holt mit jedem Tag an Beliebtheit auf. Mani, die deutlich weniger Anhänger hat als die beiden Männer, spielt damit eine zunehmend wichtigere Rolle. Ihre Entscheidung scheint den Ausgang zu bestimmen. Doch Mani erklärt sich nicht öffentlich für Aykish, auch wenn sie klar erkennbar zu ihm tendiert. Firas erscheint ihr als ein Angeber, ein Blender, an dem außer großen Sprüchen und - zugegebenermaßen - einigen Talent als Krieger wenig ist.

In diesen Wettstreit bricht nun einer der härtesten Winter des Jahrhunderts ein. Sommer und Herbst des Jahres 1837 a.u.c. waren durch schlechtes Wetter gekennzeichnet und so sind die Vorräte knapp. Als dann auch noch eine Seuche die meisten Pferde kurz nach der Wintersonnwende tötet, ist die Hungersnot nicht mehr abzuwenden. Doch damit nicht genug, kaum enden wollende Schneestürme machen den Jägern das Leben zusätzlich schwer. Die wenigen überlebenden Pferde müssen geschlachtet werden, doch auch das genügt nicht mehr. Bald sterben Alte und Kinder und immer mehr liegen entkräftet darnieder, darunter auch Firas' Mutter Chasha und Shay, sein Bruder.

Als die Situation auswegslos zu werden droht, mobilisiert der Stamm nochmals all seine Kräfte. Jeder Jäger, der sich noch irgendwie auf den Beinen halten kann, wird ausgesandt. Doch bald müssen die ersten umkehren, von Hunger und dem in weiten Teilen hüfthoch liegenden Schnee restlos erschöpft. Selbst die ehrgeizigsten, darunter Mani und Aykish, kehren letztlich zurück. Als letzter schließlich führt Firas seine Gruppe zurück ins Lager - auch er mit leeren Händen.

Firas verbringt die folgende Nacht am Lager seiner Mutter. Es soll das letzte Mal sein, daß er sie lebend sieht. In den frühen Morgenstunden holt ihn dann sein Onkel Kim-a'ayren ("Waldfeuer"), Kutonas Bruder weg. Dieser Onkel ist der Bewahrer der Jagdgeheimnise der Luchsohren-Ishia und in den nächsten zwei Tagen wird er seinem Neffen in unerbittlichen Lehrstunden, das Jagdlied der Ishia beibringen. Trotz seiner Erschöpfung lernt Firas mit verbissenem Ehrgeiz. Endlich ist Kim überzeugt, daß sein Wissen in sicheren Händen ist. In einem letzten Akt der Aufopferung begeht er Selbstmord und bietet Firas mit dem Fleisch seines Körpers die Nahrung für einen letzten Jagdzug. Der junge Mann reift in dieser furchtbaren Nacht vollends zum Erwachsenen heran. Er sucht sich seinen Jagdtrupp nicht mehr aus seinen Freunden aus, sondern aus den stärksten und besten Jägern. Mit ihnen teilt er das grausige Mahl. Doch wird er in dieser Nacht auch zum ersten Mal die Gesetze seines Volkes brechen, indem er auch Shay etwas von dem Fleisch abgibt, ohne ihm allerdings zu sagen, woher dieser unerwartete Bissen kommt. Dann brechen die Männer, sechs an der Zahl auf. Am dritten Tag ihrer Jagd geraten sie in einen wütenden Schneesturm. Einer von ihnen gibt den Kampf gegen die Kälte auf, legt sich hin und erfriert.

Die anderen aber gönnen sich keine Ruhe und tatsächlich stoßen sie am Abend des vierten Tages auf eine kleine Herde Thirmus, die in einem engen Tal Zuflucht vor der Gewalt des Windes gesucht haben. Noch einmal verlangen die Männer ihren Körpern das Äußerste ab und machen reiche Beute. Doch sie haben keine Möglichkeit all das Fleisch zu transportieren und so nimmt es Firas auf sich, dem Stamm die frohe Nachricht zu bringen, während die anderen zurückbleiben, um den Schatz zu verteidigen. Erst kurz bevor Firas das Winterlager des Stammes erreicht, läßt endlich der Sturm nach. Am Ende seiner Kräfte, gelingt es ihm gerade noch, die Nachricht zuz überbringen, dann sinkt er in einen todesähnlichen Schlaf. Der Stamm aber ist gerettet, auch wenn die Hilfe für manche zu spät kommt. Chasha allerdings bekommt von der Tat ihres Sohnes nichts mehr mit. Am Abend vor seiner Rückkehr war sie in Ohnmacht gefallen. Sie stirbt bevor die Nahrung eintrifft.

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