Die Ankunft in Tiluvo (Forts.)

Der Bach, dem sie gefolgt waren, fiel in einer Reihe kleiner Waserfälle hinab zu dem Platz, und die Straße begleitete ihn auf geschwungenen Treppen. Sie überquerten den Platz, der vom Duft der Seerosen erfüllt war. Als sie schon fast das andere Ende des Platzes erreicht hatten, bemerkte Shay, dass an jeder Säule der Galerie ein Busch mit harten dunkelgrünen Blättern und kleinen weißen Blüten stand, deren Duft sich auf bezaubernde Art mit dem Duft der Seerosen mischte. Direkt neben der Prachtstraße zum Königspalast, stand ein großes Haus, das etwa drei Stockwerke haben durfte. Die ganze Wand zum Platz hin, war mit einem großen runden Mosaik geschmückt. Zur Galerie hin hatte es eine Tür, die nach all der Größe des Platzes fast klein wirkte. Und doch blieb über Shays Kopf noch gut ein Fuß Luft, als Eirien die Tür öfnete und ihn aufforderte ihr Haus zu betreten. Kaum waren sie eingetreten, als ihnen schon eine Frau in mittlerem Alter entgegeneilte, die sich schnell die Hand an der Schürze abwischte. "Da seid ihr ja endlich. Quidoa ist schon seit bald einer Stunde hier und ich machte mir schon Sorgen, wo ihr bleibt." Jetzt bemerkte sie Shay und Eirien stellte ihn schnell vor. "Shay, das ist Raquaelda. Als ich klein war, war sie mein Kindermädchen und jetzt führt sie meinen Haushalt." Wieder an die Haushälterin gewandt, fuhr sie fort. "Wir sind weit gereist heute und ziemlich müde. Führe Shay bitte auf das große Gästezimmer, damit er sich frisch machen kann, und dann bringe uns eine Kleinigkeit zu Essen." Raquaelda verneigte sich und Eirien lächelte Shay zu. "Wir sehen uns dann in einer Viertelstunde."
Shay wollte noch etwas erwidern, doch da war sie schon verschwunden. Raquaelda wartete bereits am Fuß einer breiten Treppe auf ihn. Wieder wurde die Treppe von einem kleinen Wasserlauf begleitet, und an jedem Absatz war ein halbrundes Becken mit Seerosen. Auch die Innenwändde des Hauses waren aus diesem seltsam leuchtenden Stein, so dass nirgends eine Lampe zu sehen war. Raquaelda führte ihn in den ersten Stock in ein Zimmer, das größer war als manches Haus, das Shay kannte. An einer Wand floß ein Bächlein entlang, und überall wuchsen Lilien und andere Uferpflanzen. Am gegenüberliegenden Eck lagen viele Decken und Kissen aus feinsten Stoffen auf dem Boden und bildeten eine Lagerstatt. Darüber war ein Vorhang aus schwerer nachtblauer Seide angebracht, der jetzt allerdings zurückgebunden war. Wahrscheinlich diente er dazu, den Schlafenden vom Licht der Wände abzuschirmen.
Raquaelda hatte Shay allein gelassen, doch jetzt kam sie zurück mit einem Gewandt aus silbergrauer Wildseide auf dem Arm. "Ich hoffe, es passt euch. Ich lasse euch nun allein, damit ihr euch frischmachen könnt." Sie nickte zu dem kleinen Wasserlauf hin.
Shay nahm das Gewand entgegen. "Danke. Ihr seid sehr freundlich."
Sie verneigte sich und verließ den Raum.
Shay zog schnell seine schmutzige Kleidung aus und wusch sich gründich. Dann schlüpfte er in das Seidengewand. Es saß wie angegossen. Gerade wollte er seine Haare wieder einflechten, als es klopfte und Eirien den Raum betrat. Sie trat hinter ihn und nahm mit sanftem Druck seine Hand. "Lass sie bitte offen. Du bist wunderschön so." Shay lächelte und öffnete den angefangenen Zopf wieder. "So besser?" fragte er, als das blonde Haar nun weit und offen seine Schultern umfloß.
Zur Antwort lächelte Eirien nur und führte ihn aus dem Raum und die Treppe hinab wieder ins Erdgeschoß. Durch einige Gänge und Zimmer kamen sie schließlich in einen Raum, der mehr einer natürlichen Grotte ähnelte, als einem künstlich geschaffenen Gebilde. Die Wand bildeten rauhe, unbehauene Felsen und der Boden war bedeckt mit schwarzen Sand. Nach vorne jedoch war nur eine leicht gewölbte Glasfläche zwischen ihnen und dem Meer. Nur durch die Tür fiel Licht aus dem Hausinneren in diesen Raum. Mit der Zeit gewöhnten sich Shays Augen an das Dämmerlicht und nun konnte er auch Dinge im Meer erkennen. Unbemerkt war Eirien hinter ihn getreten. "Der Mond ist aufgegangen. Deswegen ist das Wasser jetzt erleuchtet." flüsterte sie ihm ins Ohr. Lange blickte Shay hinaus, auf die fremde und unwirkliche Welt von Felsen und Tang, die sich seinem Blick darbot. Immer wieder schwammen einzelne Fische oder ganze Fischschwärme vorbei. Nach einiger Zeit jedoch drang der Geruch von gebratenem Fisch in seine Nase, und sein knurrender Magen erinnerte in nachdrücklich daran, dass er seit dem frühen Morgen nichts gegessen hatte.
Er drehte sich um. Eirien saß auf einer weichen Decke im warmen Sand. Mehrere Schüsseln und Platten standen bei ihr auf der Decke, aus denen es verführerisch roch. Er setzte sich zu ihr und gemeinsam gingen sie dem Festmahl zu Leibe.

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