Der Tanz der Meerdrachen (Forts.)

"Ja, es gab wirklich nicht viel zu sehen. Einfach nur eine ganz normale Felsküste." Jotan lachte. "Da sieht man mal, was für eine blühende Fantasie manche Kartographen haben. Drachen und Nixen - da kann ich ja gleich ein Märchenbuch lesen."
Meko blieb ernst. "Nun, zumindest haben wir keine gefunden."
"Du willst doch nicht etwa behaupten, dass du an diese Geschichten glaubst?" Jotan sah seinen Freund verblüfft an. "Wesen mit einem menschlichen Oberkörper und einem Fischschwanz anstatt Beinen, die in stürmischen Nächte unvorsichtige Fischer mit ihrem Gesang in die Tiefen des Meeres locken? Ich dachte, an so etwas glauben nur kleine Kinder."
"Immer wieder kommen Fischer nach einer stürmischen Nacht nicht zurück." Meko war von Jotans Unglauben verstimmt.
"Aber dafür braucht es doch keine Nixen! Da reicht schon eine hohe Welle."
"Seltsam nur, dass immer wieder Leute davon berichten. Und was ist mit den Meerdrachen, glaubst du an die auch nicht? Trotz all der Berichte über Schiffe, die durch schreckliche Wesen angegriffen und in Stücke geschlagen wurden?"
"Ich habe noch nie einen Meerdrachen gesehen, und ich kenne auch niemanden, der einen gesehen hätte."
"Der alte Tido in Wittarn hat einen gesehen."
"Der alte Tido ist ein Säufer. Er erzählt alles, was man hören will, wenn man ihm nur etwas zu Trinken spendiert." Jotan schüttelte den Kopf. "Ich kenne keinen, der einen Drachen gesehen hätte. Was ich aber gesehen habe, sind Wale und da sind einige durchaus groß genug, um ein Schiff zu zertrümmern."
"Die großen Wale fressen aber keine Menschen. Warum haben dann nur so wenige überlebt."
"Vielleicht sind sie einfach ertrunken?" Jotan ließ sich so schnell nicht überzeugen, aber auch Meko war von seiner Meinung nicht abzubringen. Missbilligend runzelte er die Stirn. Jotan tat es leid, um die friedliche Stimmung, die gerade noch geherrscht hatte. "Können wir uns darauf einigen, dass es keine Beweise für ihre Existenz gibt?"
Meko gab sich damit nicht zufrieden. "Augenzeugen reichen dir wohl nicht. Was willst du denn noch für Beweise? Willst du erst ein ..." Mitten im Satz brach er ab. "Was ist das?" Aufgeregt deutete er auf einen Fleck, steuerbord, etwa 150 Schritt von der Falke entfernt.
Jotan kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Dort kräuselte sich das Wasser, doch nicht wie von einer Böe. Es schien eher, als glitte ein großes Wesen durch das Wasser. "Kann es ein Wal sein?", fragte atemlos. "Aber dann hätte er genau die gleiche Farbe wie das Wasser."
"Es kommt näher." Meko bemerkte gar nicht, dass er vor Aufregung flüsterte.
Gebannt beobachteten die beiden Männer, wie der seltsame Fleck Wasser immer näher kam, er schien genau auf das Schiff zuzuhalten, nein, er glitt vorbei. Gerade als er auf gleicher Höhe mit ihnen war, bäumte sich das Wesen, oder was es auch immer war, auf. Hoch spritze das Wasser auf, lief in hellen Rinnsalen über das riesige Haupt. Es öffnete das Maul wie zu einem Schrei, doch kein Laut war zu hören, dann glitt es wieder unter Wasser.
"Ein Drache!" Jotan war fassungslos.
"Bei den Vier! Hat er uns gesehen?" Meko war viel zu überrascht, um überhaupt zu bemerken, dass er soeben den Streit mit Jotan gewonnen hatte.
"Ich glaube nicht. Schau, er schwimmt weiter."
"Anevas mit all deinen Heiligen steh uns bei!" Meko starrte mit schreckgeweiteten Augen auf den Fleck, der sich langsam zu entfernen begann. "Wenn er uns bemerkt, sind wir verloren. Sieh nur, wie groß er ist. Fast so groß wie das Schiff."
"Ja, er ist sicher zwanzig Schritt lang, wenn nicht länger." Auch Jotan verspürte Furcht, doch noch hielt sie sich mit der Neugier die Waage. "Sollen wir die Mannschaft wecken?"
"Und riskieren, dass der Drache uns hört? Bist du wahnsinnig?"
"Da, was macht er jetzt? Er hält an. Hat er uns doch gesehen?"
Meko stieß ihm plötzlich den Ellenbogen in die Rippen. "Da ist ein zweiter!"

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